GASTBEITRAG

Was hat mich dazu bewogen, das Thema Stimme anzugehen?

Mit dem Thema Stimmbildung kam ich erstmals in Berührung, als mir zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres für eine Woche die Stimme wegblieb. Das ist umso erstaunlicher, als dass ich Lehrerin bin und zu den Berufssprechern zähle. Alle Stimmprofis, mit denen ich seither gearbeitet habe, waren verblüfft, dass meine Stimme nicht ausgebildet war. Welche Auswirkungen eine (fehlende) Stimmausbildung auf meine Arbeit hat, wurde mir erst im Laufe der nachfolgenden Monate bewusst.

Zunächst führte meine Suche nach Hilfe mich zu Kirsten Mall, die mir mit meiner Stimmproblematik schnell helfen konnte. Der Einsatz meiner Stimme fiel mir bald leichter, da ich einen gesunden Stimmgebrauch erlernte. Ich konnte viele Sprechsituationen mit Leichtigkeit meistern, die mich zuvor sehr angestrengt hatten. In meinem sehr stressigen Alltag merkte ich außerdem schnell, dass die Kommunikation mit meinen Schülern bessere Ergebnisse erzielte als vor der Stimmtherapie. Das war vor allem auf die Persönlichkeitsentwicklung zurück zu führen, die passiert, wenn man sich mit der eigenen Stimme, und somit der eigenen Persönlichkeit, auseinandersetzt. Kirsten ermutigte mich, zusätzlich zur Arbeit an meiner Sprechstimme, meine Singstimme zu entdecken. Von da an machte ich noch schnellere Fortschritte. Und das Schönste daran: Das Potential meiner Stimme auf mehreren Ebenen zu entdecken hinterließ ein Gefühl von Verliebtsein. Es machte mich unglaublich glücklich und ich begann, den Stimmbildungsstunden entgegenzufiebern.

Da sich mein Fokus nun auf das Thema Stimme verschoben hatte, suchte ich nach weiteren Möglichkeiten, meine Stimme auszubilden. So belegte ich einen Grundlagenkurs „Sprechen“ bei der Sprecherakademie und bald danach beim gleichen Anbieter ein Seminar zum Hörbuch- und Synchronsprechen in Köln. So flossen auch schauspielerische Anteile in meine Stimmarbeit ein und ich erschloss mir im wahrsten Sinne des Wortes neue Horizonte.

So beschloss ich, noch mehr über die Hintergründe zu erfahren und lernte die StimmConcept-Methode von Kirsten Mall nun von der anderen Seite kennen. Die Vielfältigkeit und der Variantenreichtum dieser Methode begeisterte mich ungemein. Dazu kam, dass man bei der Stimmarbeit immer auch auf der persönlichen Ebene arbeitet und das mit den unterschiedlichsten Menschen. Das empfinde ich als eine große Bereicherung.

Was macht die StimmConcept-Methode aus?

Ihr Ziel ist der Mensch in Balance. Er soll intuitiv und in seiner Kraft sein. Er soll verbunden, ganz sein, sich lebendig fühlen und agil und in Bewegung sein. Wie wird das erreicht? Kurz gesagt über den Raum des Nicht-Wissens. Es wird zunächst ein Bewusstsein für die Wirkweise der bisherigen Mechanismen (beispielsweise beim Einsatz der Stimme oder des eigenen Verhaltens) geschaffen, indem man bewusst in sich hinein spürt und sich das eigene Handeln vor Augen führt.  Darüber entwickelt die Person Achtsamkeit für ihr eigenes Verhalten, kann die eigenen Motive identifizieren und hinterfragen, um schließlich alternative Verhaltensweisen zu entwickeln. Die Selbstwirksamkeit und das Maß an Selbstfürsorge werden dadurch erhöht.

Dieser Entwicklungsfortschritt erfolgt bei StimmConcept über drei Disziplinen: den körperorientierten Ansatz nach Schlaffhorst-Andersen, die Individualpsychologie nach Alfred Adler und NIA (Neuromuscular Integrative Action) als bewegungsorientierter Ansatz.

Das Konzept Schlaffhorst-Andersen umfasst die Prophylaxe und Therapie von Atem-, Sprech-, Sprach- und Stimmstörungen. Das Wissen um die Zusammenhänge von Atmung, Haltung, Stimme, Bewegung und Wohlbefinden führt zu einer Optimierung der jeweiligen Funktionen, da ihre Wechselwirkungen untereinander genutzt werden. Körper und Psyche werden als eine Einheit betrachtet.

Die Individualpsychologie nach Adler setzt sich mit der Psychologie des Ich auseinander. Wie bei Schlaffhorst-Andersen handelt es sich um ein ganzheitliches Konzept. Die seelischen und körperlichen Vorgänge bilden eine unteilbare Einheit und sind immer gemeinsam wirksam. Nach Adler entwickelt der Mensch in den ersten Jahren der Kindheit ein Verhaltensrepertoire, das in individuellem Bezug auf seine Lebensrealität entsteht. Dies nennt Adler den Lebensstil. Diese kindliche Sicht auf die Dinge ist immer eine unkritische, die dann Probleme verursacht, wenn man sich im Erwachsenenalter weiterhin unreflektiert an ihr orientiert.

Um das eigene Verhaltensrepertoire zu erweitern, gilt es, den Klienten in der Beratung zu ermutigen, aus eigener Kraft und Fähigkeit etwas zu schaffen. Jeder Mensch hat Ressourcen, die er verfügbar machen kann.

NIA  als dritte Disziplin verfolgt das Ziel, das Körper- und Lebenspotential durch Bewegung ganz bewusst zu transformieren: lernen – bewegen – energetisieren. Es umfasst 9 Bewegungsformen, die in 3 Kategorien fallen – Kampfkunst, Tanzkunst und Heilkunst. Zur Musik bewegt man sich, indem man  sich die verschiedenen Kunstformen zu Nutze macht. Es geht nicht um eine korrekte Ausführung der Bewegungen, sondern um die Veränderung der Energie und des Fokus einer einzelnen Bewegung. Die Bewegungsformen kommen aus Tai Chi, Tai Kwon Do, Aikido, Jazz, Modern und Duncan Dance, Feldenkrais, Alexander-Technik und Yoga. Die körperliche und persönliche Anpassungsfähigkeit (Reagibilität) auf Wechsel bzw. Veränderungen ist das höchste Ziel. Der enorme Variantenreichtum von NIA trainiert das Nervensystem und erzeugt Flexibilität, Agilität, Stärke, Stabilität und Mobilität. Die Bewegung des Körpers wird mit der des Geistes, des Verstandes und der Emotionen verknüpft. Dafür sorgt die durch die Bewegung erreichte Stimulation, die (körperliche) Empfindungen zugänglich macht.

Durch die Verbindung aller 3 beschriebenen Disziplinen kommt die Person in Kontakt zu sich selbst, in sich selbst und mit dem Außen. Das Selbstvertrauen wird gestärkt, indem die volle Ausdruckskraft der Stimme entfaltet und eine gute Kommunikationsfähigkeit erlernt wird. Die bewusste Wahrnehmung der eigenen Ressourcen gibt der Person innere Sicherheit, die auch nach außen sichtbar wird. Das volle, jedem innewohnende Potential wird entdeckt und die Person handlungsfähig. Durch die Integration von 3 verschiedenen Disziplinen ergibt sich der enorme Methodenreichtum, um Zugang zu seinen Ressourcen zu finden.

Wie sieht das Lernen bei StimmConcept aus?

Es ist an jedem einzelnen Tag inspirierend und überraschend gewesen.

Die Erarbeitung theoretischer Anteile, beispielsweise der anatomischen und physiologischen Zusammenhänge bei Schlaffhorst-Andersen, wurde immer durch praktische Übungen ergänzt.

Am Ende jedes Weiterbildungstages bat Kirsten mich, ihr eine persönliche Perle zu nennen, also kleine Aha-Momente zu sammeln. Anhand dieser Perlen kann ich in der Rückschau eine klare persönliche Entwicklung erkennen. Zu Beginn waren es häufig Übungen, die bei mir selbst etwas ausgelöst haben, sodass ich einen anderen Blick auf mein eigenes (stimmliches) Verhalten einnehmen konnte. Nach und nach durfte ich selbst in die Coachrolle schlüpfen und für verschiedene stimmliche Probleme Übungen aussuchen, die meiner Meinung nach hilfreich sein konnten. Dieser Transfer und der Abgleich mit Kirstens Erfahrungen waren besonders lehrreich. Meine persönlichen Perlen wurden sozusagen zunehmend größer.

Auch standen Hospitationen bei Klient:innen auf dem Plan, die ich als besonders spannend empfunden habe. Während der Hospitation beobachtete ich und machte mir Notizen zu den geschilderten Problemen und den Lösungsvorschlägen von Kirsten. Die Vielfältigkeit der Klient:innen und ihrer Motive, sich bei StimmConcept Unterstützung zu suchen, war sehr bereichernd.

Als weitere praktische Erfahrung standen drei NIA-Workouts auf dem Programm. Um diese großartige Mischung aus Tanz, Kampfsport und Entspannung kennenzulernen, trainierten wir gemeinsam mit Uta Altmann.

Zum Ende der Weiterbildung konzipierte ich gemeinsam mit Kirsten einen Workshop für Frauen, die ihren stimmlichen Auftritt verbessern wollten. In den anderthalb Stunden stand das Konzept Schlaffhorst-Andersen im Vordergrund. Schön zu sehen (und zu hören!) war, dass nach der Erarbeitung der einzelnen Bausteine (Haltung, Atmung, Artikulation und Stimme) mit den dazugehörigen Übungen jede Teilnehmerin einen Unterschied in ihrem stimmlichen Auftritt wahrnehmen konnte.

Über den Transfer in die Coachrolle war es dann tatsächlich der Workshop, der für mich das größte persönliche Wachstum bedeutet hat und die bedeutendste Perle war. Im Gegensatz zu meinem beruflichen Alltag als Lehrerin war dies das erste Mal, dass ich Inhalte für Erwachsene aufbereitet hatte. Und es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht!

Was kann ich mit diesem Know How tun? 

Das Wissen um meinen stimmlichen Auftritt erleichtert mir meinen beruflichen Alltag in der Schule enorm. Veränderungen in der eigenen Kommunikation wirken sich immer auch auf die Beziehungen zu Mitmenschen aus. Zudem kann ich eine neue Perspektive auf das System Schule einnehmen. Zunächst kann ich meine Schüler von diesem Wissen profitieren lassen, indem ich es in den Unterricht einbinde, beispielsweise bei der Vorbereitung von Präsentationen.

Ich habe aber auch große Lust, außerhalb des Systems Schule im Bereich der Stimmbildung aktiv zu werden. Die deutlich intensivere Arbeit, in Kleingruppen oder auch 1:1, ist eine Form der Arbeit, die ich im Verlauf der Weiterbildung zunehmend zu schätzen gelernt habe. Die Fortschritte, die die Klient:innen in diesem Rahmen machen können, sind deutlich größer als die, die ich in der Schule bei meinen Schüler:innen beobachte. Was in der Schule eine Ausnahmesituation ist und dort Luxus bedeutet, sollte in meinen Augen Standard werden.

Im Verlauf der Weiterbildung hatten Kirsten und ich die Idee, unsere Zusammenarbeit in weiteren Projekten fortzuführen. Ein gemeinsames Coachingkonzept ist unser nächster gemeinsamer Meilenstein. Ich freue mich schon jetzt auf die vielen neuen Erfahrungen.

Vielen Dank, Kirsten, dass du dich mit mir auf das Abenteuer Weiterbildung eingelassen hast. Es war mir die größte Freude, mit dir gemeinsam zu arbeiten!